Hommage an Feininger

Photographien von Nomi Baumgartl und Andreas Feininger

Pressetext: Hans-Michael Koetzle, München 13.10.2010

Vom 16. Oktober bis 13. November 2010 zeigt die Münchner Galerie Stephen Hoffman ausgewählte Arbeiten von Andreas Feininger sowie ein neueres Portfolio der in München lebenden Fotografin Nomi Baumgartl. Dabei handelt es sich keineswegs um eine schlichteDoppelausstellung, sondern um ein Gipfeltreffen in Bildern, das – termingerecht zu Nomi Baumgartls 60. Geburtstag – den Kontakt, das Gespräch, die langjährige Freundschaft zwischen der jüngeren Deutschen und dem amerikanischen „Klassiker“ in schwarzweißen Bildern reflektiert: Auf der einen Seite schwerpunktmäßig Andreas Feiningers früheStadtansichten aus New York, auf der anderen Nomi Baumgartls Porträts, die nicht zuletzt die Naturverbundenheit des Fotografen unterstreichen.

Nomi Baumgartl, 1950 im Donauries geboren, hat an der Gesamthochschule Düsseldorf Design und Visuelle Kommunikation studiert, bevor sie sich im Bereich Bildjournalismus zügig einen Namen machte. Nomi Baumgartl publizierte in praktisch allen wichtigen nationalen wie internationalen Magazinen (darunter Stern, Geo, Paris-Match, Time, Life) und war ab 1992 Mitglied der renommierten Agentur Bilderberg. Neben der Auftragsarbeit in Journalismus und Werbung widmete sie sich freien Langzeitprojekten, die meist in vielbeachtete Bücher mündeten. Erwähnt seien ihre Bildbände über den Zeichner Horst Janssen(1984), den Schriftsteller Wolfgang Koeppen (1997) oder Chris Gallucci, den „Elefantenmann“, 2007 als höchst erfolgreiches Buch bei Frederking & Thaler erschienen.1983 lernte Nomi Baumgartl in New York den Fotografen Andreas Feininger kennen. Was sich in der Folge entwickelte, war ein intensiver gedanklicher Austausch, der kreiste um Fragen der Wahrnehmung, der Weltsicht, des Verständnisses von Kosmos und Natur. Längst hatte Feininger zu diesem Zeitpunkt die Kamera aus der Hand gelegt. Doch angeregt durch seine Gesprächspartnerin nahm er seine Naturstudien wieder auf, während er umgekehrt Nomi Baumgartl in ihrem fotografischen Anliegen bestätigte: „You (and my friend Sam Haskins) are probably the most imaginative and creative photographers I know“, ließ er Baumgartl in einem seiner vielen Briefe wissen.

Andreas Feininger, 1906 in Paris geboren, zählt zu den herausragenden Fotografen des 20.Jahrhunderts. Der Sohn des Malers Lyonel Feininger besuchte ab 1922 die Tischlerwerkstatt unter Walter Gropius, wechselte etwas später an die Bauhochschule Weimar und schloss an der Anhaltischen Bauschule in Zerbst in Thüringen 1928 sein Architekturstudium ab. Parallelentstehen erste Kamerabilder: Aufnahmen im experimentellen Geist des Bauhauses, mit denen Feininger quasi über Nacht zu einem Teil jener fotografischen Avantgarde avanciert, die unter dem Begriff „Neues Sehen“ für internationale Aufmerksamkeit sorgt. Bereits 1929ist er auf der legendären „Film und Foto“-Ausstellung in Stuttgart vertreten. Eine Aufnahme –ein Negativdruck mit dem Titel „Elbschlepper“ – findet Eingang in Franz Rohs programmatisches Buch „foto-auge“. Feininger nimmt Kontakt auf zur fotogeschichtlich bedeutenden Agentur Dephot und hat erste Veröffentlichungen in der Vossischen Zeitung oder der Hamburger Illustrierten. 1932 erfolgt der Wechsel nach Paris. 1933 übersiedelt er nach Schweden, um sich dort ganz der Fotografie zuzuwenden, was zunächst ausschließlich Architekturfotografie bedeutet. In Schweden heiratet er die Bauhäuslerin Grete Wysse Hägg. Mit ihr zieht er 1939 nach New York, wo noch im selben Jahr sein erstes Fachbuch erscheint. Freischaffend arbeitet er für die Agentur Black Star, später fest für die Illustrierte Life. In dieser Zeit entstehen einige seiner bekanntesten Bildfindungen, darunter ein Porträt des jungen Dennis Stock mit Leica („The Photojournalist“). 1962 trennt er sich von Life, um sich wieder ganz dem Büchermachen zuzuwenden. Feininger wird zum vermutlich bedeutendsten Fotopädagogen des 20. Jahrhunderts mit am Ende über 40 Titeln. Rund um die Welt sind seine mit eigenen Fotografien illustrierten Werke Standardliteratur. Andreas Feininger starb 1999 in New York. Noch zu Lebzeiten hatte er die Ehrenmitgliedschaft des BFF (BundFreischaffender Fotodesigner) sowie den Kulturpreis der DGPh (Deutsche Gesellschaft für Photographie) erhalten – die höchste fotografische Auszeichnung, die in Deutschland zu vergeben ist.

Immer wieder bis Anfang der 1990er Jahre hat Nomi Baumgartl den älteren Freund und Kollegen in Amerika besucht. Parallel zu den Gesprächen entstehen Porträts, die am Ende einen umfangreichen Zyklus formen. Dabei geht es Baumgartl weniger um das merkfähige Einzelbild. Was sie sucht, ist die intensive, sich bisweilen über Jahre ziehende fotografische Auseinandersetzung mit einer Persönlichkeit, ihrem Wesen, ihrem Charisma, ihren geistigen Tiefen. Nomi Baumgartl macht sich buchstäblich ein Bild über viele Bilder. Was sie mitbringt, ist Geduld, aber auch Passion. Ihre Porträts über die Zeit atmen Empathie,Einverständnis, eine stille, fast meditative Leidenschaft. Schon Andreas Feininger hatte dies erkannt: „The photographs you took of me are just as satisfactory. You got it all – from the intimate details of my daily life at home and the little things I love, to the rush and excitement of New York expressed in billboards shouting from roof tops and flaming Neon signs. Nomi, you are a truely great photographer.“

Die Ausstellung in München präsentiert zum einen Originalabzüge von Andreas Feininger (alle noch zu Lebzeiten geprintet und signiert), zum anderen ein Portfolio, das Nomi Baumgartl 2006 zum 100. Geburtstag des befreundeten Fotografen konzipiert hat und zwei Jahre später realisieren konnte. Subkutan – und die Einladungskarte mit Feiningers „Photojournalist“ (1951) und Nomi Baumgartls „The Naturalist’s Eye“ (1989) unterstreicht dies aufs Schönste – geht es um Fragen des Sehens und der Wahrnehmung und darüberhinaus unseren Blick auf eine uns umgebende Natur, die für Andreas Feininger immer stärker zum Gegenstand der Reflexion geworden ist. „We all are an integral part of Nature, a part of the Universe“, lautete sein spätes Credo. Ein Gedanke, den Nomi Baumgartl in ihrer freien Fotokunst fortschreibt: Respekt vor der Schöpfung, die Verbindung von Natur und Mensch bleiben ihr großes Anliegen.

Die Ausstellung in der Galerie Stephen Hoffman bringt zum ersten Mal das Werk von Andreas Feininger und Nomi Baumgartl zusammen. Die Schau ist noch bis 13. November in den Räumen der Galerie (München, Prannerstraße 5) zu sehen. Sie entstand in Kooperation mit Galerie Creative Mind und wurde von der Leica Camera AG, Solms, unterstützt.